Protokoll
des 2. Treffens des
Arbeitskreises vom 26.9.2005 in
Karlsruhe, 18:15 h
-19:50 h
Teilnehmer: Andreas Dettinger-Klemm
(Bürogem. für fisch- und gewässerökol. Studien,
Riedstatt-Erfelden)
Stephan Fiedler (Hochschule Anhalt, Bernburg) Almut Gerhardt (Limco International, Ibbenbüren) Luc Janssens de Bisthoven (Limco International, Ibbenbüren) Thomas Kumke (AWI Potsdam) Andrea Lipinski (Hochschule Vechta) Erik Mauch (Dinkelscherben) Claus Orendt (Orendt-Hydrobiologie Leipzig) Claus-Joachim Otto (Fahrenkrug) Christian Voigt (Universität Frankfurt) Armin Zenker (Universität Hohenheim). Das Ziel des Treffens war, die bisherigen Tätigkeiten des Arbeitskreises – 1 Jahr nach seiner Gründung – mitzuteilen und zu besprechen, deren Fortgang zu diskutieren, neue aktuelle Themen anzusprechen und weitere Vorhaben zu beschließen. Die Arbeit sollte sich an den allgemeinen Zielen des AK orientieren (s. Website und Protokoll des Meetings vom 21.9.04). Folgende Tagesordnungspunkte waren vorgesehen: 1. Informationen über die
bisherigen Projekte und deren Fortschritte seit dem letzten Treffen in
Potsdam (=> Protokoll):
─ Larven-Bestimmungsschlüssel
2. Konkreter
Entwurf eines Positionspapiers bzw. dessen Diskussion─ Positionspapier ─ Vorträge ─ sonstiges 3. Aussprache über die bisherigen Tätigkeiten und Sammlung neuer Ideen, Anstöße bisherige und zukünftige Projekte, 4. weitere Themen der Teilnehmer 5. Zusammenfassung und konkrete Formulierung der nächsten Schritte Die Sitzung war - wie beim letzten Meeting - geprägt von großem Engagement und reger Diskussionsfreudigkeit der Teilnehmer. Sie wurde von C. Orendt mit einem Rückblick auf die vor einem Jahr gesetzten Arbeitsthemen und Ziele und dem Fortgang der Tätigkeiten eröffnet. A. Gerhardt regte bei der Themensammlung für den TOP "weitere Themen" an, die Rolle der Chironomiden als Indikatoren in der Ökotoxikologie und ökotoxikologischen Monitoring stärker zu betonen und in einem Positionspapier herauszubringen. Diese Disziplin sei in der EU-WRRL generell völlig vernachlässigt. TOP 1: bisherige Projekte und deren Fortschritte ─ Larvenschlüssel C. Orendt informierte, dass die Chironomini im Entwurf, die Tanytarsini im Ansatz ausgearbeitet wären. Es seien noch originale Zeichnungen oder Fotos anzufertigen. Der Fortgang sei jedoch schleppend. Wünschenswert wäre eine Aufwandsentschädigung, die die Motivation bei allen beteiligten Kollegen etwas fördern würde und die bei der DGL zu beantragen sei. In der anschließenden Aussprache warf L. Janssens de Bisthoven noch einmal die Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Schlüssels auf, da sowohl ein brauchbarer Schlüssel als auch Zeichnungen von Moller Pillot vorlägen. A. Dettinger-Klemm wandte ein, dass dort jedoch Taxa für Deutschland und bestimmte Regionen fehlten. C. Orendt betonte, dass der Schlüssel nicht in erste Linie für Spezialisten gedacht sei, sondern für Personen, denen die Scheu vor der Kompliziertheit der Tierfamilie genommen werden soll und durch Bestimmungserfolge motiviert werden sollen, der Tiergruppe offener gegenüber zu stehen oder denen der Einstieg erleichtert werden soll. Daher müsse der Schlüssel etwas anders aufgebaut sein. E. Mauch forderte eine Klärung, "wieviel Chironomiden", d.h. auf welchem taxonomischen Niveau, einbezogen werden sollen. Darauf schloss sich eine Diskussion über das Anwendungsziel eines solchen Schlüssels an. C. Orendt erinnerte an das Konzept, einem interessierten Nicht-Spezialisten anhand des Schlüssels einen näheren Einblick in die Gemeinschaft eines Sees (möglicherweise incl. orientierender Bewertung) zu ermöglichen, zunächst auf Gattungsebene, und damit noch Aussichten für eine Einbeziehung der Chironomiden in die Bewertung nach WRRL nicht ungenutzt zu lassen. Allerdings wurden die Chancen für eine Mitberücksichtigung von A. Zenker und C.-J. Otto als inzwischen gering eingeschätzt. Für Fließgewässer käme die Familie nicht mehr in Betracht. A. Zenker gab jedoch zu Bedenken, dass eine verfügbare Anwendbarkeit von Chironomiden für die Gewässerbewertung auf alle Fälle ratsam sei. Falls sich nämlich herausstellen sollte, dass das übrige Makrozoobenthos oder andere Biokomponenten für eine Gewässerbewertung nicht geeignet wären, wäre es auf alle Fälle günstig, eine handhabbare relevante Organismengruppe (d.h. gut benutzbares Bestimmungswerke und genaue ökologische Profile) anzubieten. Allgemein bestand unter den Teinehmern Übereinstimmung, dass für die vielseitigen Fragestellungen in Forschung und Gewässerüberwachung sowie für die Anwendbarkeiten von Chironomiden als Indikatoren die WRRL nur ein kleines Einsatzfeld bedeuten. Deshalb sollte die Tiergruppe – ungeachtet der gegenwärtigen Diskussion um die WRRL – Grundlagen und Werkzeuge für die Fachwelt aufgearbeitet und verfügbar gemacht werden. E. Mauch betonte, dass mit einem – wenn auch nur vorläufigen - Schlüssel schon wirksame Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden könne. Es wurde beschlossen, den tatsächlichen Aufwand für die Anfertigung der Abbildungen (wobei die Bereitstellung von Fotos allgemein stark befürwortet wurde) und die Zusammenstellung des Schlüssels zu überschlagen und einen Antrag an die DGL zwecks finanziellem Zuschuss zu stellen (Verantwortlich: C. Orendt; Termin: zeitnah; Schlüssel bis Frühjahr abschließen; generelle Mitarbeit am Schlüssel: A. Dettinger-Klemm, besonders Fotos, C.-J. Otto, ursprünglich auch B. Janecek, momentan aber zeitlich sehr belastet; für die Anfertigung der Fotos bot Ch. Voigt die Ausrüstung der Uni Frankfurt an; schriftliche Bereitschaft bekundet: N. Reiff, S. Michiels). Generell wäre es möglich, schon vorhandene Fotos von Kollegen zusammenzutragen und so den Aufwand geringer zu halten. Allerdings überwog die Meinung, dass Fotos "aus einem Guss" vorteilhafter wären. ─ Vorträge Auf der Fachtagung "Neue Impulse für die limnische Taxonomie durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie" in Schneverdingen wurde am 3.5.2005 von A. Dettinger-Klemm ein Vortrag mit dem Titel "Chancen und Grenzen der Einbeziehung von Zuckmücken (Diptera: Chironomidae) in die limnologische Praxis und Forschung: Sachstand, Defizite, Perspektiven" gehalten. Er hat dazu Schlussfolgerungen und Handlungsbedarf für die Arbeit des AK formuliert, die von der Website abzurufen sind. Auf der diesjährigen Jahrestagung der DGL ist vom AK ein Vortragsblock "Chironomiden" organisiert worden, mit folgenden Vorträgen: A. Gerhardt: Potenzial von Chironomiden in der Ökotoxikologie und in der kontinuierlichen Gewässerüberwachung L. Janssens de Bisthoven: Morphologische Deformitäten in Chironomidae als Bioindikatoren für Sediment-Toxizität Th. Kumke: Chironomiden als Bioindikatoren für historische Klima- und Umweltschwan-kungen A. Dettinger-Klemm: Lassen sich die Chironomidenzönosen temporärer Tümpel durch eine zweidimensionale Habitatschablone (Austrocknungsintensität und Prognostizierbarkeit der Austrocknungsereignisse) erklären ? Die Vortragssitzung war mit 35-40 Zuhörern sehr gut besucht und hat einen facettenreichen Einblick in die Verwendung und Eigenschaften von Chironomiden als Umweltindikatoren gegeben. Auf weiteren DGL-Tagungen sollen wieder Blöcke angeboten werden. Die weiteren Unterpunkte des TOP 1 wurden vorwiegend innerhalb der folgenden TOPe besprochen. TOP 2: Positionspapier Die Erstellung eines Papiers, das über die sinnvollen und zweckmäßigen Einsatzmöglichkeiten von Chironomiden in der Bioindikation, deren Grenzen, verfügbare Werkzeuge (Positivliste über Schlüssel, Fang- oder Testmethoden, ökologische Profile, Auswertungsmethoden etc.) informiert, wurde von allen Teilnehmern als eine der wichtigsten Tätigkeiten des AK erachtet. Im Verlauf der Sitzung wurde bei allen diskutierten Themen immer wieder darauf Bezug genommen. Dieses Schriftstück soll zur Aufklärung, Versachlichung der Diskussion und Werbung beitragen. Dazu wurden von den Teilnehmern zahlreiche Ideen eingebracht. A. Dettinger-Klemm bemerkte, dass darin die verschiedenen Anwendungsfelder dargestellt werden sollten ("was bringen Chironomiden in Paläolimnologie/Klimaindikation, Ökotoxikologie, Gewässerbewertung?"). Es muss u.a. betont werden, dass die Sedimente und deren wichtigste Bewohner als Bewertungskomponente der Gewässer eine entsprechende Rolle spielen (A. Gerhardt). C.-J. Otto meinte, dass für die Bestimmbarkeit der Organismen positiv argumentiert werden müsse. E. Mauch sagte, dass es Gewässer gebe, in denen außer Chironomiden und Oligochaeten keine wesentlichen Mengen EPT-Taxa besiedeln, die eine Gewässerbewertung sinnvoll zulassen. Dort sei man gezwungen, solche Gruppen heranzuziehen. Die Werbewirkung des Papiers solle sich seiner Meinung nach besonders auf Larven stützen. A. Gerhardt und L. Janssens de Bisthoven erklärten sich bereit, die vielfältigen Argumente zu sammeln, zu strukturieren und einen Entwurf bis Jahresende anzufertigen. Allerdings ist dazu auch der Input von AK-Mitarbeiter und weiterer Interessierter nötig, die zur Mitarbeit aufgerufen sind. Außer den Inhalten wurde auch lebhaft über die Zielgruppen und die Verbreitungsziele diskutiert. E. Mauch meinte, dass die Öffentlichkeitsarbeit von der DGL übernommen werden könne, wenn der Inhalt vom AK komme. Allgemeine Einigkeit bestand darin, dass in erster Linie Entscheidungsträger wie z.B. Ämter mit dem Papier versorgt werden sollten. Auch Verbände wie z.B. die LAWA kämen in Betracht. Desweiteren kann bei Studenten und Professoren damit geworben werden. Auf alle Fälle sollte eine knappe Version in den "Mitteilungen der DGL" abgedruckt werden. Darüberhinaus wäre aber auch noch eine andere Schiene wünschenswert, etwa in Form einer Veröffentlichung in einer allgemeiner ausgerichteten Zeitschrift (z.B. Naturschutz und Landschaftsplanung, Natur und Landschaft o.ä.), die an Verwaltungsstellen eher gelesen wird als spezielle faunistische Zeitschriften. Kontrovers wurde die Frage diskutiert, ob man das Papier dann international oder nur im deutschsprachigen Bereich verbreiten soll. E. Mauch meinte, dass in Behörden keine internationale Literatur gelesen werde. L. Janssens de Bisthoven und C.-J. Otto regten eine Weiterleitung an zuständige Stellen der EU an. Die Frage der Verbreitungsstrategie der Schrift wurde nicht abschließend zu Ende diskutiert. Sie soll zeitnah geklärt und spätestens nach Fertigstellung des Entwurfs konkretisiert werden. Desweiteren soll eine sinnvollere werbewirksamere Bezeichnung für den unbefriedigenden und vorläufigen Arbeitsausdruck "Positionspapier" gefunden werden. TOP 3 und 4 ─ Ökologische Profile/Zeigereigenschaften Ein zentraler Punkt für die Anwendung von Chironmiden in der Bioindikation ist die Kenntnis der Autökologie der einzelnen Arten oder deren ökologische Profile. Zunächst herrschte unter den Teilnehmern die Meinung, dass zwar viele ökologische Angaben zu einzelnen Arten existieren, diese aber zerstreut aus zahllosen Publikationen zusammengesucht werden müßten (=> Langzeitprojekt). Th. Kumke merkte an, dass jedoch Präferenzen von Chironomiden bereits zusammengefasst vorlägen, mit denen z.B. die Paläolimnologen arbeiteten (erschienen bei Brooks, London). [Anm. der Verf. nach kurzfristiger Auskunft von Armin Lorenz, GHS Essen: Nach dem gegenwärtigen Sachstand wird derzeit eine Liste mit ökologischen Kennwerten europäischer Chironomiden von Berthold Janecek, Österreich, und Karel Brabec, Tschechien, im Rahmen von EUROLIMPACS erarbeitet (ähnlich der "ökologischen Typisierung" nach Colling & Schmedtje, 1996, und Moog et al., 1995/2002, jedoch mit einer höheren Zahl an Metrics - z.B. Anzahl Generationen, Temperaturpräferenz etc.). Die dort angegebenen Werte sind teils Experteneinschätzungen, teils datenbasiert. Diese Liste soll bis Ende 2005 abgeschlossen sein und dann ca. Mitte 2006 in einem Sonderband der FBA gedruckt erscheinen (ausschließlich Chironomiden!), mit einem Einführungsartikel. Die Liste soll allerdings auch online abrufbar sein und laufend aktualisiert werden können. Die Koordination liegt bei Armin Lorenz. Er wird die Liste an den AK schicken und bitten, sie zu sichten und ggf. Änderungsvorschläge einzubringen. Jeder, der sich entsprechend einbringt, kann als Mitautor auftreten.] Allgemein herrschte Einigkeit darüber, dass im Einzelfall einige Einschätzungen wahrscheinlich problematisch seien, aber die EUROLIMPACS-Einstufungen auf alle Fälle eine unschätzbare Ausgangsbasis für die ökologische Bewertung bildeten. Die Einstufungen sollten durchgesehen und im Einzelfall angepasst werden. Z.B. bemerkte C.-J. Otto, dass in der ihm bekannten Version der Liste eine Tieflandsart als Bergart eingestuft sei. L. Janssens de Bisthoven merkte kritisch an, dass mit Larven bislang nicht Artniveau bestimmt werden könne. A. Zenker fragte, ob eine Bewertung auf Gattungseben dann überhaupt Sinn mache (was von C.-J. Otto für Ausnahmen bejaht wurde). Für die Bewertungspraxis sei es wichtig, besser eine Information mit irgendeinem Taxon zu haben als eine genau definierte Art ohne Information. Es wird somit in naher Zukunft ein zusammenhängendes Werk über die ökologischen Profile der Arten zur Verfügung stehen. Die Mitglieder des AK sind aufgerufen, sich an dessen Verfeinerung zu beteiligen. TOP 5: Zusammenfassung In dieser Sitzung wurden ─ konkrete Schritte
für eine Realisierung eines Larven-Einsteigerschlüssels
gemacht
Viele Themen und Probleme,
die bei der letzten Sitzung angeregt diskutiert wurden, blieben
unberührt. Es sind alle Interessierten aufgerufen, auch
außerhalb dieser jährlichen Sitzungen die Initiative zu
ergreifen.─ die Erstellung eines "Positionspapiers" strukturiert ─ die Frage nach der Verfügbarmachung von ökologischen Artprofilen als Grundlage für die Bewertungspraxis weitgehend geklärt. Die nächste Sitzung des Arbeitskreises soll spätestens im nächsten Jahr während der Jahrestagung der DGL in Dresden stattfinden. Leipzig, 5.10.2005 Claus Orendt und Stephan Fiedler |